Kategorie: Aufsichtsbehördliche Maßnahmen
16. Februar 2022
Die Frage, ob Führungskräfte in Unternehmen schuldhaft handeln müssen oder ob ein objektiver Pflichtverstoß für die Verhängung eines Bußgeldes nach der DSGVO gegen das Unternehmen ausreicht, ist im Datenschutzrecht sehr umstritten. Das Kammergericht Berlin (Az. 3 Ws 250/21) hat dem EuGH hierzu Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Rechtsträger- oder Funktionsträgerprinzip?
Stein des Anstoßes ist die Frage, ob §30 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) und damit das deutsche Haftungskonzept für Unternehmen (Rechtsträgerprinzip) anwendbar ist. Dem Unternehmen kann ein Bußgeld nur dann auferlegt werden, wenn eine Führungskraft eine (vorsätzliche oder fahrlässige) Tat begangen hat, die dem Unternehmen zurechenbar ist. Das LG Berlin vertritt diese Auffassung und hat ein Bußgeldverfahren gegen die Deutsche Wohnen SE eingestellt. Für die Verhängung eines Bußgeldes müsse ein der juristischen Person zurechenbarer Pflichtverstoß vorliegen, der durch die Datenschutz-Aufsichtsbehörde nachgewiesen werden muss. Eben dieser Nachweis sei nicht gelungen, der Bußgeld-Bescheid enthalte keine entsprechenden Angaben.
Das LG Bonn (Urt. v. 11.11.2020 – 29 OWi 1/20) hält §30 OWiG für nicht anwendbar (Funktionsträgerprinzip). Das hätte zur Folge, dass das sog. supranationale Kartellsanktionsrecht greift. Dann reicht ein objektiver (Datenschutz-)Verstoß eines Unternehmens aus, um es mit einem Bußgeld zu belegen. Eine Anweisung zu oder auch nur Kenntnis der Leitungsorgane des Unternehmens von Datenschutzverstößen sind dann nicht erforderlich. Das datenschutzrechtliche Bußgeld finde seine Rechtsgrundlage vielmehr unmittelbar in Art. 83 DSGVO, so das LG Bonn. Dafür sprechen der Anwendungsvorrang der DSGVO im Allgemeinen sowie der Wirksamkeitsgrundsatz des Europarechts, der ausgehöhlt würde, wenn nationale Haftungsregeln die Sanktionsmöglichkeiten europarechtlicher Vorschriften einschränken würden. Dann wäre nicht mehr europaweit sichergestellt, dass dieselben Bußgeldregelungen gelten, was dem Verordnungscharakter der DSGVO zuwiderliefe.
Der EuGH hat die Chance zur Klarstellung
Somit bestehen Zweifel über die Auslegung des Art. 83 DSGVO und die Zuständigkeit des EuGH ist im Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 AUEV) eröffnet. Das KG erwartet vom EuGH eine Klarstellung, ob die (strengeren) Vorgaben des deutschen Ordnungswidrigkeitenrechts gelten oder ob ein objektiver Pflichtverstoß eines Unternehmens ausreicht, um ein Bußgeld zu verhängen. Das KG selbst scheint übrigens von einer direkten Unternehmenshaftung ohne Anwendung des §30 OWiG auszugehen.
14. Februar 2022
Die französische Datenschutzbehörde CNIL hat am 10.02.22 eine Stellungnahme veröffentlicht, dass Webseiten mit europäischen Besuchern auf den Einsatz von Google Analytics verzichten sollen. Dies sei nämlich nicht mit der DSGVO vereinbar. Zwar habe Google Schutzmaßnahmen getroffen, diese reichen aber nicht aus, um den Zugriff von US-Geheimdiensten auf Daten ganz auszuschließen. Die Daten von europäischen Webseiten-Besuchern seien dementsprechend nicht ausreichend geschützt. Im konkreten Fall hat der französische Webseiten-Betreiber einen Monat Zeit bekommen, um seine Webseite in Einklang mit der DSGVO zu bringen.
Der Einsatz von Google Analytics, ein weitvebreitetes Analysetool auf Webseiten, ist nach dem Schrems-II-Urteil schon länger umstritten. Die Entscheidung der CNIL kommt nur zwei Wochen nachdem die österreichische Datenschutzbehörde entschieden hatte, dass der Einsatz von Google Analytics auf österreichischen Webseiten gegen die DSGVO verstößt.
Auch die CNIL hatte zuvor Beschwerden von NOYB, der von Max Schrems gegeründeteten Organisation, zu dem Einsatz von Google Analytics erhalten. NOYB äußerte sich zu der Entscheidung der CNIL damit, dass sie weitere, ähnliche Entscheidungen von anderen Datenschutzbehörden erwarten. NOYB hatte bei Datenschutzbehörden in fast allen EU-Staaten Beschwerde eingelegt.
Google betont währenddessen ausdrücklich die Notwendigkeit eines Privacy-Shield-Nachfolgers. Nur so könnten die genutzten Google-Services weiterhin rechtskonform genutzt werden.
10. Februar 2022
Die Europäische Strafverfolgungsbehörde Europol muss personenbezogene Daten von Verdächtigen, welchen eine Verbindung zu Straftaten nicht nachgewiesen werden kann, nach sechs Monaten löschen. Laut einer Pressemitteilung des Europäischen Datenschutzbeauftragten (EDPS) kam Europol dieser Verpflichtung nicht nach.
Der europäische Datenschutzbeauftragte Wiewiórowski hat Europol aufgefordert Daten von Verdächtigen in großem Umfang zu löschen. Konkret betroffen seien Datensätze, welche Europol von den Ermittlungsbehörden der EU-Staaten übermittelt wurden. Aufgrund der Masse an übermittelten Daten dauere der Prozess der Analyse bei Europol jedoch meist Jahre. Hinsichtlich der Speicherfristen entspräche die Behörde jedoch nicht ihren eigenen Regelungen. Diese bestimmen die Löschung personenbezogener Daten von Verdächtigen nach spätestens sechs Monaten, sofern den Betroffenen keine Verbindung zu einer kriminellen Aktivität nachgewiesen werden kann.
Auf die Strafverfolgungsbehörde warten arbeitsintensive zwölf Monate. Zunächst soll die Behörde innerhalb von sechs Monaten eine Voranalyse und Filterung der gespeicherten Datensätze vornehmen. Mit diesem Vorgehen werden zugleich “die Risiken für die Rechte und Freiheiten von Personen auf ein Minimum reduziert”. In den nachfolgenden sechs Monaten soll dann die Umsetzung der Löschpflicht zu einer Vereinbarkeit mit den datenschutzrechtlichen Regularien folgen.
Europol kritisierte die Anordnung des EDPS in einer Pressemitteilung, da die Behörde durch den Beschluss des EDPS in der Fähigkeit beeinträchtigt werde, große und komplexe Datensätze auszuwerten. Gerade in Fällen mit komplexen und umfangreichen Datensätzen nehme dies oftmals mehr als sechs Monate in Anspruch.
Die Entscheidung des EDPS war für Europol jedoch bereits absehbar. Bereits im September 2020 verwarnte der Datenschutzbeauftragte die Behörde aufgrund ihres Umgangs mit der Speicherung personenbezogener Daten.
4. Februar 2022
Die österreichische Datenschutzbehörde hat entschieden, dass der Einsatz von Google Analytics auf österreichischen Webseiten gegen die DSGVO verstößt. Die Entscheidung könnte wegweisend für weitere europäische Länder und damit auch entscheidend für deutsche Webseitenbetreiber sein.
Gründe für die Entscheidung
Google Analytics erhebt personenbezogene Daten, überträgt diese an Google – und Google unterliegt nach US-Recht der Überwachung durch US-Geheimdienste. Die von Google ins Feld geführten Standardvertragsklauseln helfen dem mangelden Datenschutzniveau bei Google nicht ab, wie 2020 der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seinem Schrems II-Urteil erkannt hat. Nach Auffassung der österreichischen Datenschutzbehörde können nun auch die zusätzlich zu den Standardvertragsklauseln getroffenen Maßnahmen von Google schlussendlich kein angemessenes Schutzniveau für die Datenübermittlung nach Artikel 44 DSGVO bieten. Damit gilt: wenn ein österreichischer Webseitenbetreiber Google Analytics einsetzt, legt er Google rechtswidrigerweise Daten offen. Konsequenz kann sein, dass die Webseite wegen rechtswidrigen Verhaltens eingestellt werden muss.
Konsequenz für deutsche Webseitenbetreiber?
Die Entscheidung hat für deutsche Webseitenbetreiber zunächst keine direkten Auswirkungen. Anlass für die Entscheidung war eine Beschwerde der Datenschutzorganisation NOYB. NOYB hatte 101 Beschwerden gegen die Nutzung von Google Analytics und Facebook Connect auf europäischen Webseiten in fast allen EU-Ländern eingelegt, darunter auch bei fünf deutschen Landesdatenschutzaufsichtsbehörden, nachdem der EuGH mit dem Schrems II-Urteil den Privacy Shield aufgehoben hatte.
Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) hat daraufhin eine Task Force zur europaweit einheitlichen Bearbeitung der Beschwerden gegründet. In der ersten Beschwerde hat die österreichische Datenschutzbehörde nun entschieden. Auch die niederländische Datenschutzbehörde prüft aktuell, ob die Verwendung von Google Analytics zulässig ist: Sie hat in einen Leitfaden zur Nutzung von Google Analytics die Warnung aufgenommen, dass die Verwendung Google Analytics „möglicherweise bald nicht mehr erlaubt“ sei. Anfang 2022 sei dann auch von ihr eine Entscheidung zu erwarten.
Aufgrund des Zusammenschlusses in der Taskforce ist es allerdings möglich, dass vergleichbare Entscheidungen in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten fallen. Max Schrems von NOYB sieht ein Indiz dafür auch darin, dass der EU-Datenschutzbeauftragte die Covid-19-Test-Webseite des Europäischen Parlaments wegen der Einbindung von Google Analytics auf eine Beschwerde von NOYB hin verwarnt hat.
31. Januar 2022
Das oberste französische Verwaltungsgericht hat eine Strafe in Höhe von 100 Millionen Euro gegen Google bestätigt, indem es eine Beschwerde von Google gegen den Bußgeld-Bescheid der französischen Datenschutzbehörde CNIL abgewiesen hat.
Im Dezember 2020 hat die CNIL einen Bußgeld-Bescheid in entsprechender Höhe wegen zweifelhafter Cookie-Einstellungen und dem Cookie-Einsatz ohne die notwendige Einwilligung der Nutzer gegen Google erlassen. Google setzte sieben Cookies automatisch, sobald ein Nutzer auf die Website gelangte. Vier davon dienten Tracking und Werbung. Der Conseil d’Etat hat diese Verstöße nun bestätigt.
Er hat sich auch zu weiteren Themen geäußert, auf die Google seine Beschwerde gestützt hat. So seien die verhängten Geldbußen in Anbetracht der hohen Gewinne, die Google mit personalisierter Online-Werbung erziele, und der Marktmacht in Frankreich von über 90 % Marktanteil nicht unverhältnismäßig.
Die CNIL hat sich nicht auf die DSGVO gestützt, sondern das Bußgeld auf Grundlage des Art. 82 des französischen Gesetzes über Informatik und Freiheit gestützt, mit dem der nationale Gesetzgeber die e-Privacy-Richtlinie aus 2002 umgesetzt hat. Der Conseil d’Etat hat bestätigt, dass für Cookie-Einstellungen die nationalen Vorgaben und nicht die DSGVO primär anwendbar sei. Daher sah sich das Gericht nicht verpflichtet, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.
11. Januar 2022
Das Europäische Parlament verstößt mit seiner Corona-Testseite gegen das europäische Datenschutzrecht. Diese Entscheidung wurde vom Europäischen Datenschutzbeauftragten Wojciech Wiewiorowski (EDSB) bestätigt.
Der Entscheidung vorausgegangen war eine Beschwerde der Datenschutzorganisation “noyb (None of Your Business)” um den österreichischen Datenschutz-Aktivisten Max Schrems. Diese wurde im Namen von sechs Mitgliedern des Europäischen Parlaments eingereicht. Die Gründe für die Beschwerde waren unter anderem ein irreführender Cookie-Banner und die illegale Übermittlung von Daten in die USA.
Insbesondere zu dem letzten Beschwerdegrund stellte der EDSB fest, dass das Parlament keine Nachweise erbringe, welche die Gewährleistung eines dem europäischen Recht äquivalenten Datenschutzstandard im Rahmen der Übermittlung an die USA zusichern konnten. Auch stellte der EDSB fest, dass die Differenzen der Cookie-Banner, die sich je nach gewählter Sprache ergeben, gegen das geltende Datenschutzrecht verstoßen.
Die Beschwerdegründe stellen einen Verstoß gegen die “DSGVO für EU-Institutionen” fest (Verordnung (EU) 2018/1725) die nur für EU-Einrichtungen gilt und der DSGVO nachempfunden ist. Der EDSB erteilte aufgrund dieser Verstöße eine Unterlassungsanordnung mit einer Frist von einem Monat.
6. Januar 2022
Der Online-Bezahldienstleister Klarna sieht sich einiger Kritik bezüglich des Datenschutzes in seiner “Super-App” ausgesetzt. In den vergangenen Wochen sind bei der Berliner Datenschutz-Aufsichtsbehörde einige Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern eingegangen.
Klarnas noch recht neue App vereint die bereits bekannte Zahlmöglichkeit direkt mit dem Online-Shopping. Viele Händler wurden bereits in die App integriert, sodass eine separate Anmeldung bei den einzelnen Online-Shops nicht mehr notwendig ist. Sogar der Versand und das Paket-Tracking sind in der App möglich. Dadurch erhält Klarna neben den Bezahldaten auch alle anderen Informationen zu Bestellungen und Kaufverhalten der Nutzer, anhand derer personalisierte Angebote und Werbung generiert und an die Nutzerinnen und Nutzer ausgespielt werden können.
Rund die Hälfte der Beschwerden bezieht sich auf die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer auf Auskunft oder Löschung ihrer Daten. Ein weiteres großes Problem ist die Datenschutzerklärung, die etwa 14.000 Wörter lang ist. Art. 12 DSGVO verlangt jedoch, dass die Informationen in “präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form und in einer klaren und einfachen Sprache” zur Verfügung gestellt werden. Auch inhaltlich könne die Datenschutzerklärung nicht überzeugen, sondern sei vielmehr eine “grandiose Nebelmaschine”.
23. Dezember 2021
Neue Entwicklung in Sachen des kontroversen Dienstes Clearview: Wie berichtet, hatte die Gesichtserkennungsfirma Clearview bereits erhebliche Kritik für ihre Unvereinbarkeit mit datenschutzrechtlichen Grundsätzen insbesondere der DSGVO geerntet. Bereits im letzten Jahr wurde beim Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI) Johannes Casper eine Beschwerde gegen Clearview eingereicht; das Erstellen von biometrischen Profilen von EU-Bürgern wure vorläufig als rechtswidrig eingestuft und Clearview AI angewiesen, das Profil des Beschwerdeführers zu löschen. Auch in Kanada, Australien und dem Vereinigten Königreich (das die europäische DSGVO vorerst im nationalen Recht beibehält) wurde gegen Clearview vorgegangen.
Nun wird mit der französischen Datenschutzbehörde CNIL die erste europäische Behörde tätig und verlangt von dem Unternehmen, “die Sammlung und Nutzung von Daten von Personen einzustellen, die sich auf französischem Hoheitsgebiet befinden”.
Das umstrittene US-amerikanische Unternehmen Clearview trägt Fotos aus aus einer Vielzahl von sozialen Netzwerken, Webseiten und Videos zusammen, um auf diese Weise eine Datenbank mit Gesichtern mit weltweit über zehn Milliarden Bilder aufzubauen. Die Datenbank ist vor allem für Strafverfolger interessant, da in der App eine Person mithilfe eines Fotos gesucht werden kann. Währenddessen ahnt keiner der Betroffenen davon, dass das Bild vom letzten Urlaub potenziell “für polizeiliche Zwecke genutzt werden kann”.
In der Mitteilung über die Feststellung des Verstoßes fordert die CNIL Clearview auf, die unrechtmäßige Verarbeitung einzustellen und die Nutzerdaten innerhalb von zwei Monaten zu löschen. Die französische CNIL stellte fest, dass Clearview zwei Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung begangen hat: Die französische Datenschutzbehörde sieht für die kontroverse Praxis des Fotoabgleichs keine Rechtsgrundlage, insbesondere werde keine Einwilligung der Betroffenen eingeholt. Darin liege ein Verstoß gegen Artikel 6 (Rechtmäßigkeit der Verarbeitung). Zudem verstoße Clearview gegen eine Reihe von Datenzugangsrechten gemäß Artikel 12, 15 und 17.
Das US-Unternehmen hat keinen Sitz in der EU, was bedeutet, dass seine Geschäfte in der gesamten EU von allen Datenschutzbehörden der EU überwacht werden können. Die Anordnung der CNIL gilt zunächst nur für Daten, die das Unternehmen über Personen aus dem französischen Hoheitsgebiet besitzt. Weitere derartige Anordnungen anderer EU-Behörden werden jedoch folgen und sind nur eine Frage der Zeit.
Es ist allerdings auch möglich, selbst tätig zu werden: Clearview hat hierzu auf seiner Website zwei Formulare für EU-Bürger eingerichtet. Mit der “Data Access Form” kann man feststellen, ob Clearview Daten über die eigene Person gespeichert hat. Mit dem “Data Processing Objection Form” kann man das Unternehmen daran hindern, Fotos der eigenen Person zu verarbeiten.
30. November 2021
Der Verein des österreichischen Juristen und Datenschützers Maximilian Schrems noyb (none of your business) hat die irische Datenschutzkommission (DPC) bei der österreichischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft angezeigt. Dabei wirft man der Behörde intransparentes Verhalten vor. In dem Verfahren bei der irischen Behörde geht es um die Einhaltung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) durch Facebook.
Non-Disclosure-Agreement vorgelegt
Zuvor hatte die Behörde noyb aufgefordert, innerhalb eines Arbeitstages eine Verschwiegenheitsvereinbarung (Non-Disclosure-Agreement, NDA) zu unterzeichnen. Ohne eine solche Geheimhaltungsvereinbarung zugunsten der DPC und Facebook würde die DPC die Rechte der Beschwerdeführerin noyb in einem laufenden Verfahren aussetzen.
Hintergrund
Maximilian Schrems führte in der Vergangenheit schon einige erfolgreiche Verfahren gegen den Social-Media Konzern. In dem eigentlichen Rechtsstreit (wir berichteten) geht es unter anderem um die Frage, ob Nutzer:innen tatsächlich eine Einwilligung oder einen Vertrag mit Facebook schließen, da Facebook als angebliche „Leistung“ Werbung anbiete. Laut Schrems wären damit die Vorschriften, die vorgeben, wie eine eindeutige Zustimmung aussehen müsse (und auch jederzeit widerrufen werden könne), hinfällig. Dies sei eine rechtswidrige Umgehung der DSGVO.
Fehlende Rechtsgrundlage und Verzögerungen
Die DPC lässt sich mit diesem und anderen Verfahren gegen Techkonzerne nach Einschätzung von Schrems zu viel Zeit. Auch der deutsche Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hatte seiner irischen Kollegin Helen Dixon vorgeworfen, die Verfahren zu verschleppen und ihr Zögern mit „falschen Aussagen“ zu verschleiern.
Aufgrund Facebooks Hauptsitz in Irland wurde die Beschwerde an die irische Datenschutzkommission weitergeleitet. Nach über drei Jahren erließ sie schließlich einen Entscheidungsentwurf. Nachdem noyb diese Entscheidung veröffentlicht hatte, forderte die DPC noyb auf, die Entscheidung der Datenschutzbehörde sowie noyb’s eigene Stellungnahmen zu löschen. Dies geschah ohne die Nennung einer Rechtsgrundlage, so der Datenschutzverein. Darüber hinaus sei die DPC außerhalb Irlands nicht zuständig. Aufgrund des Kooperationsmechanismus der DSGVO müssten die Dokumente über die österreichische Datenschutzbehörde zugestellt werden und unterlägen somit dem geltenden österreichischen Recht (§ 17 AVG). Wie die österreichische Datenschutzbehörde bestätigte, unterliegen derartige Verfahrensdokumente nicht der Geheimhaltung. Zum anderen gebe es auch nach irischem Recht keine gesetzliche Verpflichtung für die Parteien, Dokumente vertraulich zu behandeln, so noyb.
Maximilian Schrems: “Die irische Behörde hat die Verpflichtung uns zu hören, aber sie hat uns nun praktisch erpresst: Prozessrechte wurden davon abhängig gemacht, dass wir eine Verschwiegenheitsvereinbarung zu Gunsten der Behörde und Facebook unterzeichnen.”
Zeichen stehen auf Konfrontation
Für die Adventszeit hatte Schrems öffentliche Lesungen aus Dokumenten von Facebook und der irischen Datenschutzbehörde angekündigt. Inzwischen meldete sich auch der Datenschützer Johnny Ryan vom Irish Council for Civil Liberties zu Wort. Auch er habe in seiner Beschwerde gegen Google eine Verschwiegenheitserklärung von der irischen Behörde vorgelegt bekommen.
Die irische Behörde reagierte bisher nicht öffentlich auf die Vorwürfe.
11. November 2021
Das Verwaltungsgericht Hannover hat sich mit der Frage befasst, welche Daten eine Versandapotheke im Rahmen des Bestellvorgangs erheben darf (Verwaltungsgericht Hannover, Urteil vom 09. November 2021, Az.: 10 A 502/19). Den Stein ins Rollen gebracht hat die Landesbeauftragte für den Datenschutz in Niedersachsen. Sie war der Meinung, die Versandapotheke erhebe zu viele Daten im Bestellvorgang und untersagte ihr im Januar 2019, unabhängig vom bestellten Medikament das Geburtsdatum abzufragen. Auch die Angabe einer Anrede sei, jedenfalls bei nicht geschlechtsspezifisch zu dosierenden Medikamenten, nicht erforderlich.
Die Betreiberin der Versandapotheke berief sich auf ihre Beratungspflicht, die aus der Apothekenbetriebsordnung folge. Dies umfasse die geschlechtsspezifische und altersgerechte Beratung. Zudem müsse sie wissen, ob die Bestellerinnen und Besteller volljährig seien. Sie klagte gegen den behördlichen Bescheid, die Klage wurde gestern nach mündlicher Verhandlung vor dem VG Hannover abgewiesen.
Vor dem Verhandlungstermin hat die Versandapotheke die Option hinzugefügt, bei der Anrede keine Angaben zu machen, sodass darüber nicht verhandelt wurde. Die Verarbeitung des Geburtsdatums beim Erwerb rezeptfreier Produkte ist nach Ansicht des Gerichts für solche Produkte unzulässig, die keine altersgerechte Beratung erfordern. Dies gilt u.a. für Drogerieartikel. Um die Geschäftsfähigkeit der Kunden zu prüfen, reicht es, abzufragen, ob die bestellende Person volljährig ist oder nicht. Dies folgt aus dem Grundsatz der Datenminimierung nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO.
Die Versandapotheke hat die Möglichkeit, die Zulassung der Berufung zum OVG Lüneburg zu beantragen.
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