20. Februar 2017
Das Verwaltungsgericht Köln hat einen Eilantrag des Münchner Providers Spacenet vom Mai 2016 zurückgewiesen (Beschluss v. 25.01.2017, Az. 9 L 1009/16), mit dem dieser im Rahmen einer weitergehenden Klage vorläufig von der im nächsten Sommer greifenden Gesetzespflicht zur Vorratsdatenspeicherung ausgenommen werden wollte. Als Begründung führte es aus, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vorliegen.
Da dem Provider bei einem etwaigen Verstoß gegen die gesetzlichen Speicherpflichten ein Bußgeld in Höhe von bis zu 500.000 Euro drohe und ein Rechtsschutzbedürfnis aufgrund des erforderlichen technischen Vorlaufs bestehe, sei der Eilantrag zwar zulässig. Der Antragssteller habe diesen allerdings nicht ausreichend begründet und konnte daher nicht nachweisen, dass dem Unternehmen “schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden”, die nach dem Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden könnten. Hierfür hätte Spacenet dem Gericht glaubhaft machen müssen, dass ihr aufgrund der Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung eine “erhebliche Grundrechtsverletzung” drohe.
Auch wenn Spacenet bereits ihrer Pflicht zur Glaubhaftmachung nicht nachkam und der Eilantrag schon deswegen abgelehnt wurde, äußerte sich das Verwaltungsgericht auch zur Rechtmäßigkeit der Neuregelung. So spräche “Überwiegendes dafür, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung der sogenannten Vorratsdatenspeicherung die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinreichend beachtet hat”.
Ob das Gesetz allerdings auch mit den Vorgaben des EU-Rechts vereinbar sei, könne “aufgrund der Komplexität der zu beantwortenden Fragen” erst im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Ebenso im Hauptsacheverfahren geklärt werden müsse, ob die Vorratsdatenspeicherung rechtswidrig in das Fernmeldegeheimnis der Kunden des Zugangsanbieters eingreife oder ob sie aufgrund der vorgesehenen, besonderen Schutzvorkehrungen und ihrer Funktion als “zusätzliche Ermittlungsmöglichkeit” der Strafverfolgung gerechtfertigt sei. Diese sei für das im Eilverfahren im Vordergrund stehende Anliegen, ob die Investitions- und Bereithaltungskosten für das Protokollieren der Nutzerspuren den Telekommunikationsunternehmen auferlegt werden könnten, allerdings unerheblich.
7. Dezember 2011
Carrier IQ wird zur Zeit in den Medien heiß diskutiert, was sicherlich auch der Behauptung des Unternehmens geschuldet ist, dass Carrier IQ auf über 140 Millionen Geräten laufe.
Was aber hat es mit Carrier IQ auf sich?
Alles nahm seinen Anfang damit, dass der IT-Experte Trevor Eckhart eine Beschreibung der Analyse Software der Firma Carrier IQ veröffentlichte in der er die Software als Rootkit bezeichnete. Daraufhin war man bei Carrier IQ wenig amüsiert, mahnte Eckhart ab und forderte ihn zur Unterlassung auf. Dieser erhielt daraufhin Unterstützung von der US-Bürgerrechtsbewegung EFF (Electronic Frontier Foundation). Kurze Zeit später entschuldigte sich Carrier IQ(Link entfernt) bei Eckhart für das übereilte Säbelgerassel und zog die Androhung juristischer Maßnahmen zurück.
Im Kern der Anschuldigungen steht der Vorwurf, dass Carrier IQ die Möglichkeiten hat, Tastatureingaben, Standortinformationen, die installierten Apps (…) – kurzum – fast alle relevanten Daten aufzuzeichnen, die auf einem Smartphone anfallen. Zweifelsfrei nachgewiesen ist bisher, dass die auf einem HTC-Gerät für den US-Markt installierte Carrier IQ Software Suchanfragen und gewählte Telefonnummern schon während des Eintippens aufzeichnet. Carrier IQ sah sich daraufhin veranlasst, eine Pressemitteilung (Linke entfernt) herauszugeben, in der klargestellt wurde, dass Carrier IQ zwar einen weitreichenden Zugriff auf die Daten des Gerätes habe, aber keine Inhalte von SMS, E-Mails, Photos sowie Audio und Videoinhalten sammele. Beispielsweise könne die Software nachvollziehen, ob eine SMS korrekt gesendet wurde, aber nicht was in der SMS gestanden habe. [Update 12.12.11] Ineinem Update der Pressemelung vom 12.12.2011 gestand Carrier IQ dann ein, dass es auf Grund eines Bugs in einigen seltenen Fällen doch dazu gekommen sei, dass der Inhalt der SMS übermittelt worden sei. Dieser Inhalt wäre aber kodiert und damit nicht durch Menschen lesbar gewesen. [/Update] Weiterhin wisse man auch, welche Apps den Akku leersaugen, Screenshots würden jedoch nicht erstellt. Auch auf die Frage warum Carrier IQ auf den Geräten installiert ist, gibt die Pressemeldung Aufschluss: Carrier IQ werde im Interesse der Netzbetreiber installiert, um diesen eine Verbesserung der Servicequalität zu ermöglichen. Der Mitteilung kann man auch entnehmen, dass es nicht “eine” Carrier IQ Version, sondern jeweils auf den Kunden zugeschnittene Lösungen gibt.
Dies ließe vermuten, dass sich Carrier IQ Software nur auf Geräten befindet, die spezifisch auf den Netzbetreiber angepasst sind (sog. Branding). Ganz so einfach ist es jedoch nicht, da auch Apple’s populäres iPhone Carrier IQ Software nutzt(e). In einem Rundschreiben an die Medien gab die Firma aus Cupertino bekannt, dass die Unterstützung von Carrier IQ mit iOS 5 für die meisten Geräte eingstellt wurde. Gegenüber ars technica führte Apple aus, dass das iPhone 4 auch mit iOS 5 noch Carrier IQ Software verwendet. Mit einem zukünftigen Update soll die Software jedoch aus sämtlichen iOS Geräten entfernt werden. Fraglich ist allerdings, ob dies auch für “alte” Geräte gilt, die nicht auf iOS 5 geupdatet werden können. Die Apple-Implementierung bietet gegenüber den Androidversionen die Besonderheit, dass es sich um ein Opt-In Verfahren handelt. Standardmäßig ist die Option laut Angaben von Apple ausgeschaltet. iPhone-Nutzer können unter Einstellungen>Allgemein>Info>Diagnose & Nutzung überprüfen, ob das automatische Senden von Diagnose & Nutzungsdaten aktiviert ist. Ebenfalls kann dort eingesehen werden, welche Diagnose & Nutzungsdaten erhoben wurden. Die Daten werden im Falle der iOS-Implementierung nicht an Mobilfunknetzbetreiber gesendet, sondern an Apple selbst.
Dies wirft die Frage auf, wer (nach bisherigem Kenntnisstand) von Carrier IQ betroffen ist:
Zugegeben haben bisher die US Provider AT&T, Sprint und T-Mobile USA den Einsatz von Carrier IQ auf ihren Geräten. Wie eben erläutert, setzt(e) auch Apple die Software in gewissem Umfang ein. HTC und Motorola haben angegeben die Geräte auf Wunsch der Provider mit der Software auszustatten, wobei HTC explizit betonte, dass dies für den europäischen Markt nicht geschehe. Auch auf Smartphones von Samsung und Huawei wurde Carrier IQ Software nachgewiesen.
Die deutschen Provider Telekom, E-Plus und Vodafone haben angegeben, die Software nicht zu nutzen. Mehr Spielraum lässt die Aussage von O2 zu: O2 erhält nach eigenen Angaben keine Kundendaten durch Carrier IQ. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Software auf O2 Geräten installiert (und möglicherweise deaktiviert) ist.
Googles Nexus Geräte (One, S, S 4G und Galaxy) laufen mit einem weder durch Hersteller noch durch Provider angepassten Android-Betriebssystem und sind daher frei von Carrier IQ Software. Auch auf Geräten von HP, Palm, RIM und sämtlichen Windows Phone 7 Geräten ist bisher keine Spur von Carrier IQ nachzuweisen gewesen.
Für den Nutzer stellt sich die Situation also wie folgt dar: Mit Windows Phone, Web OS und Blackberry Geräten ist man nach bisherigen Erkenntnissen auf der sicheren Seite. Bei Apple kann man die Funktion, wie oben beschrieben, zumindest abschalten. Android Nutzer können mit einem Tool von Trevor Eckhart herausfinden, ob ihre Geräte von Carrier IQ (und sonstiger Loging-Software) betroffen sind. Eine Abschaltung der Software ist dabei nicht vorgesehen, kann aber im Einzelfall gerätespezifisch mit etwas Aufwand bewerkstelligt werden.
Juristische Reaktionen auf Carrier IQ
Auf Grund der Berichterstattung durch die Medien hat US-Senator Al Franken, seines Zeichens Vorsitzender des Unterausschusses für Datenschutz und Technologie, Carrier IQ, die Netzbetreiber und die Gerätehersteller aufgefordert, bis Mitte Dezember ausführliche Informationen vorzulegen. Insbesondere will er dabei wissen, ob gewählte Telefonnummern und der Inhalt von SMS aufgezeichnet werden. Gestützt auf den sogenannten Federal Wiretap Act sind nach Medienberichten in den USA mittlerweile auch Sammelklagen gegen Carrier IQ, Apple, HTC, Samsung, Sprint, AT&T und T-Mobile USA eingereicht wurden. Auch die deutschen Datenschützer sind nicht untätig geblieben: Einem Bericht von Bloomberg zufolge hat der Bayerische Landesdatenschutzbeauftragte, Thomas Kranig, Apple um Details bezüglich dem Einsatz von Carrier IQ gebeten. (se)