21. April 2016
Das BKA-Gesetz steht schon länger auf dem Prüfstand, auch wir haben darüber berichtet. Nun ist die Entscheidund aus Karlsruhe da.
Wie u.a. zeitonline berichtet, ist das BKA-Gesetz, das dem Bundeskriminalamt (BKA) weitreichende Befugnisse zur heimlichen Überwachung von Bürgern einräumt, teilweise verfassungswidrig. Oder, wie es das BVerfG gestern, am 20.04.2016, schreibt, ist “die Ermächtigung des Bundeskriminalamts zum Einsatz von heimlichen Überwachungsmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus zwar im Grundsatz mit den Grundrechten vereinbar”, jedoch genügt “die derzeitige Ausgestaltung von Befugnissen aber in verschiedener Hinsicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht”.
Das klingt nicht nur sperrig, sondern bedeutet auch viel Arbeit in der Umsetzung. Das BVerfG kritisiert vor allem fehlende Konkretisierungen von Normen, zu unbestimmte und zu weitgehende Befugnisse des BKA, den Datenaustausch zwischen Behörden, mangelnde Nachvollziehbarkeit der Maßnahmen sowie unzureichende Löschung.
Die Reaktionen auf das Urteil sind naturgemäß unterschiedlich. Während Bundesinnenminister Thomas de Maizière von der CDU alles andere als begeistert ist, begrüßt die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Datensicherheit das Urteil.
6. April 2016
Nach den Terroranschlägen von Brüssel hat sich Bundesninnenminister Thomas de Maizière (CDU) erneut für eine stärkere Verknüpfung der europäischen Behörden ausgesprochen. “Datenschutz ist schön, aber in Krisenzeiten wie diesen hat Sicherheit Vorrang”, konstatierte Bundesinnenminister Thomas de Maizière in den Tagesthemen der ARD. “An den Außengrenzen des Schengenraums sind zu viele Lücken.” so de Maizière weiter, “Wir brauchen ein Ein- und Ausreiseregister für den Schengenraum.” De Maizière reiht sich mit seinen Forderungen in eine traditionelle Riege seiner Amtsvorgänger ein, die mit ähnlichen Aussagen bereits den Datenschutz gegenüber den Sicherheitsaspekten zurück stehen lassen wollten. So hatte etwa Hans-Peter Friedrich (CDU) im Jahr 2013 den Begriff des “Supergrundrechts” für die Sicherheit der Bürger intoniert und sich dabei seinerseits auf seinen Amtsvorgänger Otto Schily (SPD) und dessen Aussagen aus dem Jahr 1997 berufen. Gegenwind bekommt de Maizière unter anderem von Peter Schaar. Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte erklärte gegenüber dem Tagesspiegel: “Ich finde es falsch, den Datenschutz hier zum Prügelknaben zu machen”. Schaar konstatierte weiter, dass sofern es bei der Kooperation hapere, dies oft daran liege, dass “das Meldeverhalten der nationalen Behörden an europäische Institutionen, etwa an das Schengen-Informationssystem oder an Europol, von Land zu Land höchst unterschiedlich” sei.
23. März 2016
Die Terroranschläge in Brüssel vom gestrigen Dienstag sind Hauptthema in den Medien. Fakten werden analysiert, Einschätzungen vorgenommen und die Sicherheitsstufen drastisch erhöht.
Die Frage nach der Sicherheit betrifft dabei unmittelbar auch den Datenschutz. Deutschlands Innenminister de Maizière hat gestern, am Dienstagabend, in den Tagesthemen folgenden Satz geprägt: “Datenschutz ist schön, aber in Krisenzeiten hat Sicherheit Vorrang”. Diese “Sicherheit” möchte er durch einen besseren Austausch sicherheitsrelevanter Daten in Europa schaffen. Die verschiedenen “Datentöpfe” müssten seiner Ansicht nach verknüpft werden. Welche Daten dabei im Einzelnen sicherheitsrelevant sind und ob es überhaupt Daten gibt, die nicht sicherheitsrelevant sind, ließ de Maizière dabei offen.
Dem gegenüber zeigt sich die Berliner Datenschutzbeauftragte, Maja Smoltczyk (die am heutigen Mittwoch übrigens den Tätigkeitsbericht für 2015 vorstellte), bedacht und zurückhaltend auf die Forderung nach einem engeren Datenaustausch europäischer Behörden. Man dürfe nicht mit Schnellschüssen reagieren, so Smoltczyk. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssten auch bei einem engeren Datenaustausch der europäischen Nachrichtendienste erfüllt bleiben. Darüber hinaus wollten die Terroristen mit den Anschlägen die westlichen Werte und somit auch die Freiheitswerte angreifen. “Diese Werte dürfen unter dem Druck nicht aufgegeben werden”, dies betonte Smoltczyk heute.
24. Februar 2016
Es ist ein Zufall, wie er manchmal in der Berichterstattung vorkommt, und er verdeutlicht, wie unterschiedlich die Welten und Ansichten sind wenn es um das Thema Datenschutz geht.
Innerhalb von 5 Stunden veröffentlichte heise online gestern erst die Nachricht über das “düstere Fazit” des Datenschutzbeauftragten von Sachsen-Anhalt, Harald von Bose, und anschließend die Forderung des Kanzleramtsministers Peter Altmaier (CDU), die Grenzen der Datensparsamkeit zu erkennen und das Konzept der informationellen Selbstbestimmung neu zu denken.
Beide Männer haben somit dasselbe Thema, nämlich Datenschutz, aber die Ansichten und Forderungen könnten unterschiedlicher nicht sein.
Während Peter Altmaier die (in solchen Fällen gerne genannte) Terror-Bedrohung als Allzweck-Argument für die massenhafte Erhebung, Verarbeitung und Speicherung von Meta- wie auch persönlichen Daten (und deren Verknüpfung untereinander) heranzieht, sieht Harald von Bose in genau jenem Argument lediglich einen Vorwand, der vor allem dazu diene, den Sicherheitsbehörden (noch) mehr Befugnisse zu geben.
In seinem Tätigkeitsbericht sieht der sachsen-anhaltische Datenschutzbeauftragte Widersprüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Zwar habe der Europäische Gerichtshof in seinen Entscheidungen zum “Recht auf Vergessen” und zum Verhältnis von EU und USA als nicht sicherem Datenhafen die Grundrechte gestärkt. Umsetzungen in der Praxis ließen aber vielfach auf sich warten. Stattdessen würden die Menschen immer gläserner, ob als Bürger, als Verbraucher, als Kunde, im Verhältnis zum Staat, zu Unternehmen und zu anderen Menschen, auch als Autofahrer, als Patient, zu Hause, am Arbeitsplatz oder in der Öffentlichkeit. Algorithmen erfassen und steuern zunehmend das Verhalten bis hinein in die Gedankenfreiheit, so Harald von Bose in seiner Pressemitteilung vom 23.02.2016.
Im Verhältnis von Freiheit und Sicherheit sieht er den Staat eindeutig auf der Seite der (vermeintlichen) Sicherheit und in der Übermacht. Das, was Harald von Bose also als Gefährdung der Privatsphäre und damit der freien Gesellschaft insgesamt sieht, stellt für Peter Altmaier den aus seiner Sicht wohl wünschenswerten Anfang des Endes der Datensparsamkeit dar. Nach seinen Forderungen sollten sämtliche Daten von sämtlichen Stellen den Sicherheitsbehörden zur Verfügung gestellt und das Konzept der informationellen Selbstbestimmung neu gedacht werden. Man darf davon ausgehen, dass ein solches “neu denken” des Konzepts der informationellen Selbstbestimmung wohl kaum zu mehr Datenschutz für die Bürger führen würde.
Die beiden konträren Ansichten zweier Männer über ein Thema an einem Tag zeigen Fragen auf, die sich Viele stellen:
In welcher digitalen Welt wollen wir leben? Können und wollen wir die digitale Zukunft (und Gegenwart) mitbestimmen? Es sind auch grundsätzliche und persönliche Fragen, die manchen vielleicht an die ein oder andere Schulstunde erinnern: War ich Fan oder Gegner von George Orwells “1984” und Aldous Huxleys “Brave New World”?
Hier geht es um Fragen, die in Form von verschiedenen Themen immer wieder in den Nachrichten oder Foren auftauchen. So z.B. die Übertragung von Gesundheitsdaten an Krankenkassen durch sog. Wearables, die Übertragung des Fahrverhaltens an Autohersteller oder auch die Einschränkung von Suchergebnissen in Internetsuchmaschinen.
Es sind Fragen und Entscheidungen, die möglichst frei und informiert beantwortet und getroffen werden sollten. Sowohl von Jedem einzelnen als auch der Gesellschaft als Ganzem.