Schlagwort: Meinungsfreiheit

Bewertungsportale: datenschutzrechtliche Risiken

28. Juli 2022

Ob für den Besuch beim Arzt oder im Restaurant: häufig nutzen Kunden Bewertungsportale, um sich beispielsweise vorab über eine Dienstleistung zu informieren oder um ihre Meinung über die Dienstleistung öffentlich kundzutun. Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW (LDI NRW) veröffentlichte diese Woche eine Stellungnahme zu den Nutzen und Risiken von online abrufbaren Bewertungsportalen.

Die Grenzen einer Bewertung

Sie betonte dabei, dass bei dem Verfassen einer Bewertung die Grenzen der Meinungsfreiheit, sowie die Grenzen des Datenschutzes zu berücksichtigen seien. Hinsichtlich der Meinungsfreiheit stellte sie fest, dass die öffentlich kundgegebene Äußerung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der sie betreffenden Person abzuwägen sei. Die Grenze dessen, was geäußert werden darf, seien dabei Beleidigungen oder Schmähungen.

Hilfe bei Veröffentlichung von personenbezogenen Daten

Hinsichtlich des Datenschutzes stellte die LDI NRW fest, dass niemand die Veröffentlichung personenbezogener Daten in einem Bewertungsportal hinnehmen müsse. Insbesondere bei Bekanntgabe der privaten Adresse oder Telefonnummer eines Dienstleisters könne ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht vorliegen. So könne der Dienstleister sich zur Wehr setzen, wenn ein Kunde diese Daten veröffentliche.

Als betroffene Person stellt sich die Frage, wie man gegen die Veröffentlichung der personenbezogenen Daten vorgehen kann. Die LDI NRW betonte, das insbesondere zu beachten sei, dass sich die Bewertungsportale an Datenschutzregelungen halten müssen. Insbesondere seien Kommentare in Bewertungsportalen häufig anonym. Demnach könne es schwierig sein direkt gegen den Verfasser vorzugehen. Die betroffene Person könne sich zwar an das Bewertungsportal wenden, um die Daten des Verfassers zu erfahren. Allerdings könne, bzw. müsse das Portal die Anfrage aufgrund der datenschutzrechtlichen Bestimmungen ablehnen.

Wenn der Kommentar jedoch eine falsche Tatsachenbehauptung oder Beleidigung beinhalte, könne die betroffene Person ggf. zivilrechtliche Ansprüche geltend machen. Dieser Weg sei aber oft langwierig. Ein leichterer Weg sei die Beschwerde bei dem Bewertungsportal mit der Bitte auf Löschung des Kommentars.

Eine Alternative biete die Beschwerde bei einer Datenschutzaufsichtsbehörde. Auf diese Weise könne die betroffene Person gegen eine unrechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten vorgehen. Allerdings verlangen Aufsichtsbehörden häufig, dass die betroffene Person zuvor schon andere Schritte eingeleitet hat. 

Das Recht auf Vergessen – Eine Frage des Einzelfalls

29. Juli 2020

Erstmals nach Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung befasste sich der BGH mit dem in Art. 17 DSGVO niedergelegten Recht auf Löschung, allgemein als Recht auf Vergessen bekannt.

Eine wichtige erste Erkenntnis des Urteils ist, dass die Frage nach einem Recht auf Vergessen nicht pauschal beantwortet werden kann. Man wird wohl mit der nicht immer beliebten Standardantwort von Juristen auf komplexe Frage antworten können: „Es kommt darauf an“. In einem der gemeinsam verhandelten Verfahren führte der BGH aus, das Recht auf Vergessen unterliege einer umfassenden Abwägung der Interessen aller Involvierten. Eine weitere Frage zum Recht auf Vergessen legte der BGH dem EuGH zur Entscheidung vor.

Die im Verfahren vor dem BGH aufgeworfenen Fragen sind spannend für die Zukunft von Suchmaschinen und der Internetkommunikation insgesamt: Gibt es im Internet einen unbedingten Anspruch auf ein „Vergessenwerden“, ggf. nach einem gewissen Zeitablauf? Müssen Suchmaschinen erst dann tätig werden, wenn sie von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung des Betroffenen Kenntnis erlangen? Erstreckt sich das Recht auf Vergessen bereits auf für die betroffene Person unbequeme oder reputationsschädigende Berichte?

Verfahren VI ZR 405/18 – Der defizitäre Wohlfahrtsverband und sein Geschäftsführer

Der Kläger im ersten Verfahren war Geschäftsführer eines Regionalverbandes einer Wohlfahrtsorganisation. Er begehrte von Google, einen Presseartikel aus dem Jahr 2011 bei der gezielten Suche nach seinem Namen auszulisten. In dem Artikel wurde darüber berichtet, dass der Verband im Jahr 2011 ein finanzielles Defizit von knapp einer Million Euro aufwies und sich der Kläger kurz zuvor krank gemeldet hatte.

Der Kläger scheiterte mit seinem Begehren in allen Instanzen. Der BGH betont, dass das Recht auf Vergessen eine umfassende Grundrechtsabwägung auf Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte der betroffenen Person einerseits und der Grundrechte des Suchmaschinenbetreibers, des Anbieters des beanstandeten Ergebnislinks, der Nutzer und der Öffentlichkeit andererseits bedürfe. Das hatte bereits das Bundesverfassungsgericht Ende 2019 betont.

Interessant ist , dass der BGH damit von seiner früheren Rechtsprechung abkehrt. Der Suchmaschinenbetreiber muss nach dem nun veröffentlichten Urteil nicht erst dann tätig werden, wenn er von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung des Betroffenen Kenntnis erlangt. Anders als der EuGH im Verfahren Google-Spain geht der BGH nicht von einem pauschalen Vorrangverhältnis der Interesse des Betroffenen aus.

Im Verfahren um den Geschäftsführer des Wohlfahrtverbands entschied der BGH, dass die Rechte der Nutzer, der Öffentlichkeit und der verlinkten Presseorgane Vorrang haben und ein Anspruch auf Auslistung damit nicht besteht, auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufs.

Verfahren VI ZR 476/18 – Das Geschäftsmodell eines Ehepaars aus der Finanzdienstleistungsbranche

In dem zweiten Verfahren begehrte ein in der Finanzdienstleistungsbranche tätiges Ehepaar, kritische Presseartikel und Fotos auszulisten, in denen das Geschäftsmodell der Kläger kritisiert wurde. Die Artikel enthielten u.a. Vorwürfe, die Kläger hätten Unternehmen mit negativer Berichterstattung erpresst. Der Wahrheitsgehalt der Berichte ist – anders als im ersten Verfahren – unklar und konnte auch von Google nicht beurteilt werden.

Dieses Verfahren setzte der BGH aus und legte dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor:

Einerseits soll der EuGH klären, wie mit Konstellationen zu verfahren ist, bei denen der Link der Suchmaschine zu einem Inhalt führt, der Tatsachenbehauptungen und auf Tatsachenbehauptungen beruhende Werturteile enthält, deren Wahrheit der Betroffene in Abrede stellt. Kann der Betroffene, etwa durch vorläufigen Rechtsschutz, die Frage der Wahrheit der verlinkten Berichte zumindest vorläufig gerichtlich klären lassen?

Außerdem möchte der BGH vom EuGH wissen, wie mit Vorschaubildern in der Trefferleiste umzugehen ist, wenn der Kontext von der Suchmaschine nicht mit angezeigt wird. Besteht ein Recht auf Vergessen auch dann, wenn die Webseite des Dritten in der Suchmaschine zwar verlinkt, aber noch nicht konkret benannt ist?

Ausblick

Es bleibt abzuwarten wie der EuGH auf die Vorabfragen antworten wird. Die Antworten sind für Presseorgane, Suchmaschinenbetreiber und die Öffentlichkeit gleichsam interessant. Schon jetzt zeichnet sich aber immer deutlicher ab, dass das Recht auf Vergessen keinem Automatismus unterliegt, sondern immer eine Frage der Abwägung im Einzelfall ist. In die Abwägung müssen die Interessen aller Beteiligten einfließen und es kann kein pauschaler Vorrang der Interessen der einen oder anderen Seite angenommen werden. Fazit: “Es komm darauf an”, ob eine betroffen Person ein Recht auf Vergessen hat.

Datenschutz vs. Informationsfreiheit

3. Mai 2019

Gemäß Art. 85 Abs. 1 DSGVO sind die nationalen Gesetzgeber aufgefordert, Regelung zu erlassen, die das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit mit dem Schutz personenbezogener Daten in Einklang bringen. In Deutschland wurde hierzu der Rundfunkstaatsvertrag (RStV) neu gefasst. Nach § 9c RStV unterliegen private Rundfunkveranstalter und ihre Hilfsunternehmen dem Medienprivileg, sofern personenbezogene Daten zu journalistischen Zwecken verarbeitet werden.

Der Begriff „journalistische Zwecke“ ist in diesem Zusammenhang weit zu verstehen (Erwägungsgrund 153 DSGVO). Tätigkeiten können als journalistisch eingestuft werden, wenn sie zum Zweck haben, “Informationen, Meinungen oder Ideen, mit welchem Übertragungsmittel auch immer, in der Öffentlichkeit zu verbreiten” (EuGH Urteil vom 14.02.2019, C‑345/17). Darüber hinaus muss die “Absicht einer Berichterstattung” (BGH Urteil vom 01.02.2011, Az. VI ZR 345/09) gegeben sein. „Informationen“ sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 15 RStV insbesondere Nachrichten und Zeitgeschehen, politische Information, Wirtschaft, Auslandsberichte, Religiöses, Sport, Regionales, Gesellschaftliches, Service und Zeitgeschichtliches. Darüber hinaus ist eine redaktionelle Verantwortung erforderlich. Das bedeutet, es bedarf einer wirksamen Kontrolle über die Zusammenstellung und die Bereitstellung der Inhalte. Unschädlich ist, wenn mit der journalistischen Tätigkeit eine Gewinnerzielungsabsicht verbunden ist oder die Sendung auch unterhaltenden Charakter hat. Unter die journalistische Tätigkeit fällt die Recherche, Redaktion, Veröffentlichung, Dokumentation und Archivierung.

Das Medienprivileg besagt, wenn personenbezogenen Daten zu journalistischen Zwecken verarbeitet werden, ist nur ein kleiner Auszug der Regelungen aus der DSGVO zu berücksichtigen. Dazu zählen insbesondere das Datengeheimnis und eine sichere Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch angemessene technische und organisatorische Maßnahmen. Nach dem Medienprivileg nicht zu berücksichtigen ist insbesondere die Einholung einer Einwilligung zu der Verarbeitung von personenbezogenen Daten – das gilt auch für besondere Kategorien von personenbezogenen Daten – und die Information der Betroffenen über die Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Darüber hinaus ist das Auskunftsrecht der Betroffenen gemäß § 9c Abs. 3 RStV erheblich eingeschränkt, da eine Auskunft nur nach einer Abwägung der schutzwürdigen Interessen erfolgen muss.

Weitere Staaten erwägen “Facebook”-Gesetz nach deutschem Vorbild

5. Juli 2017

Das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz von Justizminister Heiko Maas wurde am 30. Juni 2017 vom deutschen Bundestag verabschiedet. Ziel des neuen Gesetzes ist es, schneller und effektiver gegen Hassmeldungen und sog. „Fake News“ in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder Youtube vorgehen zu können. Dazu sind die betroffenen Unternehmen nach dem neuen Gesetz verpflichtet, offensichtlich rechtswidrige Inhalte, die ihnen von anderen Usern gemeldet werden, innerhalb von 24 Stunden nach ihrer Meldung zu löschen. In Ausnahmefällen, in denen nicht unmittelbar erkennbar ist, ob die Inhalte rechtswidrig sind, wird den Unternehmen eine Entscheidungsfrist von 7 Tagen zur Verfügung gestellt.

Kritiker befürchten, dass die Unternehmen in Zukunft schneller Inhalte löschen werden, um so den im Zweifel drohenden hohen Geldbußen zu entgehen. Als Folge wird eine Einschränkung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung befürchtet. Zwar befürworten die meisten Kritiker den Ansatz von Justizminister Maas, kritisieren jedoch die Umsetzung in Form des jetzt verabschiedeten Gesetzes. Ein Problem stelle es insbesondere dar, dass es den Unternehmen überlassen werde, über die Rechtswidrigkeit von geposteten Inhalten zu entscheiden. Darüber hinaus seien die vorgesehenen Löschfristen zu kurz bemessen und die Unternehmen so zu einem “overblocking” von Inhalten gezwungen.

In Italien und Israel wird das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hingegen positiv betrachtet. Auch die Regierungen dieser Länder sind der Ansicht, dass eine Selbstregulierung der Plattformen nicht ausreichend sei.

„Recht auf Vergessen“ – Die Kehrseite

5. August 2014

Im Mai dieses Jahres hatte der Europäische Gerichtshof ein weitreichendes Urteil gegen Google ausgesprochen. Das „Recht auf Vergessen“ war geboren. Unter gewissen Umständen, haben natürliche sowie juristische Personen einen Anspruch darauf, aus einem Suchergebnis bei einer Internet-Suchmaschine, wie beispielsweise Google, gelöscht zu werden. Genauer: Der Suchmaschinenbetreiber muss den entsprechenden Link zum monierten Suchergebnis auf Antrag des Betroffenen entfernen. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils wandten sich Tausende an den Internetgiganten mit einem Löschungsantrag. Etwa jeder zweite Antrag wird derzeit bewilligt und ausgeführt, wie die Süddeutsche kürzlich mitteilte. „Das Internet vergisst nichts“, wie es lange Zeit spöttisch hieß – jetzt muss es.

Was für den Einzelnen nach mehr Schutz der Persönlichkeitsrechte und mehr Möglichkeiten zur freien Selbstbestimmung im Internet klingt, hat auch eine Kehrseite. Rechtsexperten wie der Verfassungsrichter Johannes Masing sehen in dem weitreichenden Urteil eine Gefährdung für die Meinungsfreiheit. Grundsätzlich gehe das Urteil des EuGH in die Richtige Richtung, wird Masing bei heise online zitiert. Jedoch habe keine ausreichende Abwägung des Persönlichkeitsrechts mit dem Recht auf Kommunikations- und Meinungsfreiheit stattgefunden, sagt der Verfassungsrichter. Journalisten und Pressehäuser beklagen, dass Links zu kritischen Artikeln gelöscht werden, deren Veröffentlichungen aber nicht falsch seinen. Unklar ist indes auch, nach welchen Kriterien Der Suchmaschinenbetreiber Löschungsanträge ablehnt.

Menschenrechtskatalog zur Meinungsfreiheit im Internet

14. Mai 2014

Bei einem Treffen der Außenminister am vergangenen Montag in Brüssel hat der Ministerrat der EU einen Menschenrechtskatalog zur Meinungsfreiheit im Internet beschlossen.
Im Rahmen der neuen Medien sind durch technische Neuerungen viele neue Möglichkeiten entstanden, seine Meinung kundzutun. Die Äußerungs- und Pressefreiheit ist ein Grundbaustein einer demokratischen Gesellschaft, wie heise online schreibt. Was für die reale Welt gelte, müsse auch für das Internet gelten, weshalb sich die EU klar für die Stärkung der Meinungsfreiheit und gegen ungerechtfertigte Einschränkungen und Zensur ausspricht.
Auch rechtswidrige Kommunikationsüberwachung und das Sammeln von persönlichen Daten verletze das Recht der Privatsphäre, so der Rat kritisch zu solchen Praktiken.
Zudem kündigt der Rat an, Gesetze, die einen angemessenen Schutz für Whistleblower vorsehen, künftig zu unterstützen.